Rasenmähen auf Arabisch: Ein Sketch

Rasenmähen ist eine profane Tätigkeit, die nicht viel Potential für interkontinentale Konflikte bietet. Damit die Nachbarn sich nicht mit hochgezogenen Brauen und gerümpften Nasen über den Zaun beugen, muss der Rasen regelmäßig auf eine ordentliche Länge gestutzt werden. Dabei sollte es eigentlich keine großen Missverständnisse geben, egal ob man arabisch, hochdeutsch oder bayrisch seine Muttersprache nennt. Sollte man meinen…

Der Ort: Ein Reiheneckhaus in Kirchseeon, der Rasen gepflegt. Mohamad aus Syrien bezieht seine Wohnung.

Vermieter: Servus Mohamad, kim eini in die neie Wohnung. Schau her, da gibt’s an schönen Garten.

Mohamad: Muss ich den Rasen auch mähen?

Vermieter: Ja, wennst mogst, findst ois unten in der Hütte.

In seiner Heimatstadt Raqua in Syrien hat Mohamad gerne zusammen mit seinen Eltern im Garten gearbeitet. Es gab prächtig blühende Rosen, duftende Kräuter, wilden Thymian oder Melisse. Im Sommer versorgte Mohamads Familie die ganze Nachbarschaft mit Tomaten und Paprika. Den spärlich sprießenden Rasen konnten sie mit Hilfe von Scheren und Rechen im Zaum halten. Diese erlernte Technik wollte Mohamad jetzt auch in seiner neuen Heimat in Kirchseeort anwenden.

Mohamad: Der Rasen wächst ja schon beim Anschauen. Hast du eine Schere?

Vermieter: Was machst du denn mit einer Schere?

Mohamad: Ich möchte das Gras schneiden.

Vermieter: Brauchst du eine große oder eine kleine Schere?

Mohamad: Ich brauche eine große Schere. Ein paar Stunden vergehen.

Mohamad schneidet den Rasen auf arabisch. Er singt dazu.

Illustration: Caro Zwinz

Vermieter: Was hast gsagt? Geh, Mohamad, was machst du denn da? So geht das nicht. Mit der Schere kommst du nicht weiter, da brauchst du scho was Richtiges. Kimm mit mir und schau.

Er öffnet das Gartenhaus und nimmt den Rasenmäher.

Vermieter: Schau her, da hast einen gscheiden Rasenmäher.

Mohamad: Oh, ich habe keinen Führerschein für dieses Gerät. Das ist doch viel zu gefährlich.

Vermieter: Keine Sorge, wir haben keine Gartenpolizei. Dafür brauchst du keinen Führerschein.

Mohamad: Aber es gibt noch nicht mal einen Blinker oder einen Scheinwerfer.

Vermieter: Das brauchst du auch nicht. Du kannst damit Schlangenlinien vor und zurück fahren, des interessiert da garniemand.

Von der einfachen Gartenschere zum hochtechnisierten Rasenmähertraktor – Mohamads Integrationswille kennt keine Grenzen. Am nächsten Tag möchte er zur Arbeit schreiten. Eine maßgebliche Kleinigkeit hat Mohamad allerdings noch nicht verinnerlicht. Es ist der Tag des Herrn.

Mohamad: Oh, heute ist aber ein schöner Tag. Genau das richtige Wetter für Gartenarbeit. Mohamad singt: Ich bin heute fast so schnell wie Schuhmacher, nur der Rasenmäher ist nicht getuned.

Nachbar: Mei, du Depp, was ist denn das für ein Lärm hier draußen? Was machst du denn da?

Mohamad: Was, wieso denn Depp? Ich will doch nur den Rasen mähen.

Unter einem Deppen versteht man in Deutschland einen Menschen, der nicht mit allzugroßer Intelligenz gesegnet ist oder ein Individuum, dessen Verhalten, aus welchen Gründen auch immer, dem Gegenüber Ungemach bereitet.

Nachbar: Mei, heut ist Sonntag, da wird kein Rasen gemäht. Hat man denn nie seine Ruhe, mein Gott.

Mohamad: Oh, tut mir leid, ich habe im Mietvertrag nichts davon gelesen.

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Raphael Müller-Hotop

Ich heiße Raphael Müller-Hotop, bin Psychologe und war von Oktober 2014 bis August 2019 stellvertretender Vorstandsvorsitzender des NeuLand e.V.. Es begeistert mich jedes Mal aufs Neue das Engagement der AutorInnen und Ehrenamtlichen mitzuerleben und gemeinsam mit so vielen Menschen aus verschiedenen Kulturen dieses verbindende Projekt mitzugestalten. Was mir an NeuLand außerdem besonders gefällt ist der Austausch mit den AutorInnen und unser Ziel, durch die Vermittlung eines breiten Spektrums an Perspektiven Verstehen, Kennenlernen und Dialog zu fördern.