Einige junge Männer aus Syrien, eine junge Dame aus Eritrea, eine aus dem Irak und eine aus Syrien, das waren die Teilnehmer meiner ersten Deutsch-Klasse in München.
Als ich vor ungefähr acht Monaten das erste Mal in die Klasse hineinging, fühlte ich mich eingeschüchtert von den vielen schwarzen Augen, die mich anschauten und die etwas von mir zu erwarten schienen. Ich lächelte sie an und sagte „Guten Tag“, dann wanderte mein Blick sofort in die Runde auf der Suche nach einem erwiderten Lächeln und ich wurde nicht enttäuscht. „Guten Tag“, antworteten sie. Ich war erleichtert. Wir hatten die ersten zwei Wörter auf Deutsch ausgetauscht, einer Sprache, die für uns alle eine Fremdsprache ist. Ich bin nämlich auch eine Ausländerin, eine Italienerin.
Mehr als das konnte ich am Anfang nicht erwarten, weil keiner meiner Schüler Deutsch sprechen oder schreiben konnte und ich kein Wort Arabisch. Die erste Kommunikation zwischen uns bestand nur aus Lächeln, Nicken, Gestikulieren und komischen Grimassen. Ich kannte meine Aufgabe vor dem Kurs – zumindest theoretisch: Ich sollte den Gästen aus anderen Ländern das deutsche Alphabet beibringen und natürlich einfache Strukturen und Wörter der Sprache, die in ihrem Gastland gesprochen wird. Mir wurde aber erst in diesem Moment klar, was das bedeutete.
Mir stockte der Atem und ich ging gedanklich zurück in die Zeit, als ich an der Mailänder Universität Deutsch studiert hatte, jedoch unter ganz anderen Bedingungen. Zum einen konnte ich schon schreiben, zum anderen sprach ich schon mehrere Sprachen und dann hatte ich eine Familie, eine Wohnung und ein ziemlich einfaches Leben. Ich konnte mich voll und ganz auf die neu zu erlernende Sprache konzentrieren. Und trotz allem weiß ich, welche Mühe es mich gekostet hat, eine Sprache wie Deutsch zu lernen. Deutsch ist eine schwere Sprache, das habe ich am eigenen Leib erlebt.

Aus dem Leben der Deutsch-Lehrerin Valeria Vairo (2. v.l.u.; Journalistin und Buchautorin)
Mit meinen Helden, ja, ich nenne sie so, weil sie für mich echte Helden sind, musste ich ganz bei Null anfangen und es war nicht einfach. Kopfschmerzen, Nacken- und Handkrämpfe waren die ersten Feinde, die sie bei den ungewohnten ersten Schreibübungen überwinden mussten, ich habe ihnen mit Fingerjoga und Gymnastik dagegen geholfen. Dann kamen die Buchstaben, die im Deutschen gemeinerweise auch noch groß und klein sein können und die alle auf einer Linie stehen sollen, sogar von links nach rechts und von oben nach unten! Und das alles sollten sie lernen mit der Sorge um die Familie, die sich aus Aleppo nicht meldete, den Mitbewohnern, die in der Nacht laute Musik spielten und dem Warten auf das Geld vom Amt, das manchmal nicht kam. Dazu die Wohnungssuche, die nicht geklappt hatte und die Tatsache, dass sie all das in einer Sprache bewältigen sollten, die sie noch nicht kannten.
Es gab Tage, an denen meine Helden zu überfordert waren, Fortschritte im Unterricht zu machen – und ich auch. Einmal atmete ich in so einer Situation tief ein, riss mich zusammen und stand von meinem Stuhl auf. Alle schauten auf mich. Ich zeichnete ein Gesicht an die Tafel, dem alle Haare vom Kopf abstanden und das ganz schiefe Augen hatte. Darunter schrieb ich meinen Namen. Wir mussten alle herzhaft lachen, dann waren wir alle wieder bereit, neu anzufangen.
Über alle Schwierigkeiten und Probleme haben wir stets versucht zu sprechen und das Schönste war, dass die Sätze mit der Zeit mit immer weniger Gesten unterstrichen werden mussten, da sie immer mehr deutsche Wörter enthielten.
Inzwischen können meine Helden einfache Sätze schreiben, sogar 20 Minuten lang ohne Krämpfe in den Händen oder Kopfschmerzen zu bekommen.
Natürlich machen sie Fehler und die Buchstaben tanzen auf der Linie und manchmal sind sie zu groß oder zu klein oder ziemlich schief, aber glauben Sie mir, wenn ich an die ersten Tagen denke, wird mein Herz von Zufriedenheit übermannt.
Ich bin stolz, dass meine Helden auf ihrem schweren Lebensweg ein Stück weiter gekommen sind und dass ich sie ein Stück auf ihrem Weg begleiten durfte!