Teil I:
Mein Name ist Iimaan. Ich komme aus Somalia. Ich bin 22 Jahre alt.
Ich habe vier Jahre bei einem Radio-Sender in der zentralsomalischen Stadt Galkayo gearbeitet. Weil sich der Radiosender für Frieden und Gleichberechtigung eingesetzt hat, gab es nach zwei Jahren Probleme mit Al-Shabaab [Anm. der Redaktion: Islamistische Terrormiliz in Somalia].
Sie haben Zettel verteilt, auf denen stand, wenn wir über sie berichten, müssen wir sie Horakatul Shababul Mujahidin nennen. Das heißt: Junge Leute, die ehrenamtlich für Gott und Befreiung kämpfen.
Weil wir das nicht gemacht haben, haben sie zweimal in der Nacht Bomben auf das Rundfunkgebäude geworfen. [Anm. der Redaktion: In der Rangliste der Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ steht Somalia 2015 auf dem siebtletzten Platz in der Welt.]
Zwei Jahre später haben sie angefangen, Mitarbeiter zu erschießen. Da hat meine Mutter gesagt, ich soll weggehen. Das war im März 2012.
Zuerst bin ich in eine andere Stadt nahe der äthiopischen Grenze gegangen, aber dort hatte die äthiopische Regierung im Kampf gegen Al-Shabaab eine Ausgangssperre verhängt. Deswegen bin ich mit dem Bus weiter nach Mogadishu gefahren. Aber auch dort gab es immer wieder Kämpfe zwischen Al-Shabaab und Regierungstruppen, die von der Afrikanischen Union unterstützt wurden.
Teil II:
Ich habe Somalia am 1. Juli 2012 verlassen und bin mit dem Bus nach Kenia gefahren.
Dort kannte ich niemanden. Nach zwei Tagen bin ich weitergefahren nach Uganda, um da zu arbeiten. Ich habe aber keine Arbeit gefunden und nach vier Tagen im Hotel hatte ich kein Geld mehr.
Mit hundert Dollar, die mir meine Familie geschickt hat, konnte ich die ausstehende Hotelrechnung bezahlen; ich wollte nach Südsudan weiterreisen. Im Hotel hatte ich gehört, dort könne man besser leben. Bei der Grenzkontrolle ist mir aufgefallen, dass ich meinen Pass verloren hatte. Deswegen wurde ich von der sudanesischen Grenzpolizei ins Gefängnis gebracht.
Nach fünf Tagen musste ich dann im Lkw nach Uganda zurückfahren.
Da ich meine Familie nicht nochmal um Geld bitten konnte und es in Uganda keine Möglichkeit gab, zu arbeiten, musste ich nochmal versuchen, in den Sudan zu kommen.
Ich bin zu Fuß zur Grenze gegangen. Die bestand aus einer Brücke über einem Tal, durch das ein kleiner Fluss fließt.
Ich habe gewartet, bis viele Leute am Grenzposten waren, um unbemerkt unter der Brücke durchzugelangen.
Nachdem ich etwa 20 Minuten weitergegangen war, haben mich Leute aus Somalia im Lkw nach Juba mitgenommen.
Zuerst habe ich im Hotel gewohnt und gesagt, dass ich bald wieder Geld habe. Meine Eltern konnten mir nichts mehr geben, aber mein Bruder hat mir noch einmal 100 Dollar geschickt. Als die weg waren, musste ich einen neuen Ort zum Schlafen finden. Ein somalischer Ingenieur hat mir erlaubt, auf einer Baustelle zu übernachten. Da war es aber sehr schmutzig und ich hatte nur einen Karton zum Schlafen.
Auch ein Moskitonetz, das wichtig gewesen wäre, um mich gegen Malaria zu schützen, hatte ich nicht.
Zuerst habe ich dann einen Job als Straßenverkäufer gefunden, aber nicht viel Geld verdient. Ich habe in den Straßen Kleidungsstücke verkauft. Das ging aber auch nur drei Tage lang. Dann habe ich einen Monat lang auf der Baustelle gearbeitet, auf der ich auch geschlafen habe. Den ganzen Tag lang habe ich ohne Pause Eimer mit Sand in den dritten Stock hochgezogen.
An einem Morgen habe ich dann auf dem Markt einen Mann getroffen, den ich aus Somalia kannte. Er hat für eine Firma gearbeitet, die mit Werkzeug handelt, und ich habe ihn gefragt, ob er Arbeit für mich hat. Vier Tage später rief er mich an, ich solle sofort kommen, weil sein Chef gerade da sei. In Deutschland gibt es dafür Taxis. Ich habe mich von einem Motoradfahrer in die Firma bringen lassen.
Der Chef hat gesagt, ich könne für 150 Dollar im Monat für ihn arbeiten. Nach drei Monaten hat aber jemand anderes aus dem gleichen Stamm wie der Chef die Arbeit bekommen.
Neben dem Geschäft war noch eines, das aber leer stand und vermietet wurde. Also bin ich zu einer anderen Firma für Baustoffe und Malerbedarf gegangen und die hat mir Waren zum Verkauf gegeben.
Fünf Monate lang hatte ich dann mein eigenes Geschäft.
Es sind aber immer wieder Soldaten gekommen und weil ich keinen Pass mehr hatte, musste ich ihnen Geld geben, damit sie mein Geschäft nicht schließen und mich ins Gefängnis bringen.
Weil auch die Regierung viel Geld von mir für eine Geschäftslizenz verlangt hat, ist für mich fast nichts mehr übrig geblieben. Ich hatte zu wenig zum Leben. Deshalb habe ich das Geschäft einem anderen Mann aus Somalia überlassen, der einen Pass hatte und ich bin durch die Sahara nach Libyen gefahren.

Illustration: Elena Buono