Die Ausbildung zum Fachinformatiker und die Kollegen aus aller Welt motivieren mich, täglich mein Bestes zu geben.
Mein Name ist Hussein, ich komme aus Syrien und bin 19 Jahre alt. Wegen des Bürgerkriegs floh ich im August 2014 nach Europa. Nach ungefähr 50 Tagen auf der Flucht bin ich in Deutschland angekommen, wo ich zunächst in einer christlichen Einrichtung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in der Nähe von München lebte.
Da ich aus meiner Heimat nur positive Erfahrungen im Miteinander von Christen und Muslimen mitbrachte, kam ich dort sowohl mit meinen Betreuern als auch mit meinen Mitbewohnern aus mehr als 10 Nationen gut zurecht.
Nachdem ich relativ schnell die deutsche Sprache gelernt hatte, konnte ich im Schuljahr 2015/16 die 9. Klasse besuchen und mit dem Qualifizierenden Mittelschulabschluss abschließen. Dafür musste ich allerdings vorher ein zweiwöchiges Betriebspraktikum absolvieren.
Mein Ziel: eine technische Ausbildung
Da ich von meinen Freunden wusste, dass es für Flüchtlinge schwer war, einen guten Ausbildungsplatz zu erhalten, wollte ich mich in diesem Praktikum sehr anstrengen, um einen guten Eindruck zu hinterlassen. Über eine Betreuerin erfuhr ich, dass die IT-Firma ITQ GmbH in Garching Praktikumsplätze anbot.
Ich war sehr glücklich: Eine Firma, in der ich meine Begeisterung für Technik zum Beruf machen könnte, schien mir das Paradies zu sein. Ich bewarb mich mit Hilfe meiner Betreuer für das Schülerpraktikum und bekam sehr schnell die Zusage für die kommenden Ferien.

Ich fühlte mich vom ersten Tag total wohl – die Technik-Begeisterung der jungen, internationalen Mitarbeiter und ihr Ehrgeiz beim Entwickeln neuer Software-Programme war ansteckend und inspirierend und ich war fest entschlossen, dort meine Ausbildung zu machen. Doch dann kam der Schock: Die Firma bot gar keine Ausbildungsplätze an!
Ein Wunder und ein Projekt mit meinem Namen
All die jungen Berufsanfänger, die bei dieser Firma lernten, waren Werkstudenten, die an der Uni Maschinenbau oder ähnliches studierten. Der Beruf des System- und Software-Engineer schien einfach zu schwer zu sein für normale Schulabgänger – und erst recht für einen Flüchtling wie mich, mit weniger als einem Jahr Schulunterricht in Deutschland.

Ich war total frustriert – doch dann geschah ein Wunder: An meinem letzten Praktikumstag wurde ich zum Firmenchef, Dr. Rainer Stetter, gebeten, der mir mit einem strahlenden Gesicht eröffnete, dass seine Firma sich von nun an verstärkt für Flüchtlinge einsetzen wolle. Man habe deshalb u.a. ein Projekt gegründet, das meinen Namen tragen solle („Hussein & Friends“) … und außerdem (da machte er eine kleine Pause) wolle man mir einen Ausbildungsplatz zum Fachinformatiker anbieten! Ich war sprachlos und sehr bewegt. Seit diesem Tag hoffe und wünsche ich, dass ich Herrn Stetter und seine tollen Mitarbeiter nicht enttäusche. Nachdem die Firma in Windeseile alle Formalitäten für einen Ausbildungsbetrieb bei der IHK erledigt hatte, konnte ich zusammen mit einem anderen Flüchtling aus Afghanistan am 1. September 2016 meine Ausbildung zum Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung beginnen.
Normaler Kollege statt „der Flüchtling“
Dass ich bereits an meinem ersten Arbeitstag mit meinem Chef nach Essen fahren durfte, um dort im Zusammenhang mit dem Projekt „Hussein & Friends“ auf einer Veranstaltung den damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck zu treffen, war ein großartiges Erlebnis für mich.
Dennoch ist die tägliche Zusammenarbeit mit meinen Kollegen aus aller Welt und das gemeinsame Essen, Feiern und Sport machen, für mich die Motivation täglich mein Bestes zu geben.
Außerdem lerne ich nach und nach mehr, wie aus meiner Begeisterung für Technik ein richtiger Beruf wird. Und obwohl ich der Namensgeber für ein tolles Projekt geworden bin, bin ich für meine Kollegen niemals „der Flüchtling“, sondern ein ganz normaler Kollege mit Stärken und Schwächen.