Nach meiner Flucht aus Afghanistan bin ich über den Iran, die Türkei und Bulgarien nach Europa gekommen. Auf meiner Flucht habe ich vieles erlebt und gesehen. Im Frühling 2013 bin ich nach zehn Monaten im Gefängnis in Afghanistan zur Flucht aufgebrochen. Während meiner zwei Monate in Bulgarien wurde ich von Polizisten geschlagen und misshandelt. Über Mazedonien, Serbien und Österreich bin ich nach einem Jahr Flucht nach München gekommen. Damals war ich noch 19 Jahre alt.
Als ich am Hauptbahnhof in München ankam, wusste ich nicht, was zu tun ist oder wo ich hingehen soll. Ein junger Landsmann half mir und brachte mich zur Polizei. Ich kam ins Erstaufnahmecamp in Obersendling. Dort habe ich meinen Asylantrag abgegeben und anschließend bekam ich den gelben Ausweis. Die Leute haben mir dort weitergeholfen. Ich war im Erstaufnahmecamp drei Tage, bevor ich nach Kieferngarten in das Asylheim kam. Dort wohnte ich 20 Tage lang, bevor ich nach Nandlstadt transferiert wurde. Die Lage im Asylheim in Nandlstadt war katastrophal. Dort war alles überfüllt. Es gab ständig Streit und Kämpfe zwischen den verschiedenen Nationalitäten und Religionen. Ich habe auch gesehen, dass Alkohol und Haschisch von ein paar Leuten konsumiert wurden.
Trotz all dieser Schwierigkeiten bin ich dort ca. ein Jahr lang geblieben. Ich habe dort leider keine Sprachschule gehabt und konnte nicht in die Schule gehen, was mich sehr geärgert hat. Ich wollte unbedingt als erstes die Sprache lernen, aber diese Möglichkeit habe ich dort nicht gehabt. Ich war auf mich alleine gestellt, keiner hat mir weiter geholfen.
Nach einem Jahr habe ich unerwartet einen Brief von der Berufsschule in Freising bekommen. Es hat mich sehr gefreut. Ich wurde für eine Aufnahmeprüfung eingeladen. Ich habe mich dann sehr gut vorbereitet und die Prüfung bestanden. Aufgrund vieler Bewerber wurde ich auf die Wartelisten geschrieben. Ich war sehr traurig und wusste nicht, was ich als nächstes machen soll. Dann habe ich beschlossen, nach München zu kommen, um eventuell dort nach einer Arbeit zu suchen. In München kannte ich niemanden. Doch einen Monat später habe ich durch Zufall einen jungen Landsmann in der Schwanthalerstraße getroffen, der die SchlaU-Schule besuchte. Er hat mich gefragt, was ich mache. Ich antwortete ihm, dass ich auf der Suche nach einer Arbeit bin. Er hat mir empfohlen, zur SchlaU-Schule zu kommen (Anm. der Redaktion: „SchlaU“ bedeutet Schulanaloger Unterricht für junge Flüchtlinge). Am nächsten Tag gingen wir zusammen zur Isus Schule (Anm. der Redaktion: ISuS bedeutet Integration durch Sofortbeschulung und Stabilisierung) die auch zur SchlaU-Schule gehört. In der Isus Schule habe ich mich vorgestellt und nach einer Woche wurde ich zur Aufnahmeprüfung eingeladen. Ich habe mich sehr gefreut und die Prüfung habe ich auch bestanden. Ich musste dann auf die Bestätigung der SchlaU-Schule warten. Nach ein paar Wochen habe ich einen Anruf von der SchlaU-Schule bekommen. Ich konnte nicht Deutsch sprechen, aber ich habe verstanden, dass ich bald bei der SchlaU-Schule anfangen kann. Zwei Tage danach bin in die SchlaU-Schule gegangen und dort habe ich zum ersten Mal meine Lehrerin kennengelernt.
Endlich begann mein Deutschunterricht nach langer Wartezeit. Mir wurde später dadurch auch die Heimaten e.V. bekannt, die mir weiter geholfen haben. Wir haben viele Aktivitäten wie z.B. Wandern, Schwimmen und Klettern gemacht. Ich bekam in der SchlaU-Schule auch Nachhilfe. Durch weitere Unterstützung habe ich das Clean Projekt Neuhausen (CPN) gefunden, wo ich auch Nachhilfe bekommen habe. Damit hat sich mein Deutsch viel verbessert. Ich habe dort jeden Tag meine Hausaufgaben gemacht. Mir wurden die Aufgaben nochmal deutlich erklärt. Die Leute waren alle sehr nett zu mir. Von jeder Seite wurde Hilfe angeboten. Ich habe auch inzwischen zwei Praktika gemacht. Seitdem fühle ich mich viel sicherer hier. Ich lerne jede Tag etwas Neues. Ich bin sehr zufrieden und möchte alle Möglichkeiten nutzen, um mich weiter zu bilden.
Während des Schuljahrs habe ich ein Praktikum beim Zahntechniker in Nandlsatdt gemacht. Es war für mich nicht besonders spannend, jedoch habe ich viele neue Sachen gesehen. Mit Hilfe von CPN habe ich eine weiteres Praktikum im Bereich Lebensmittelchemie in Freising gefunden. Dieses Praktikum war für mich sehr interessant. Ich habe mich für einen Ausbildungsplatz beworben. Auf eine Antwort warte ich noch. Im Moment arbeite ich ab und zu für eine Pizzeria. Mir wurde gesagt, dass ich 8,97 € Brutto bekomme, aber er zahlt mir nur 4,00 € pro Stunde. Mein Chef sagt, dass 5 € für Steuer angerechnet wird, weil ich anscheinend Steuerklasse eins habe.
Jetzt bin ich schon über zwei Jahre in Deutschland. Ich habe viel erlebt und viel gelernt.
Ich würde gerne hier bleiben. Wenn ich hier auf den Straßen laufe, habe ich keine Angst. In Afghanistan war das anders. Dort rauchen und verkaufen Polizisten Haschisch nachts auf der Straße. Als ich keines kaufen wollte, wurde ich geschlagen und ins Gefängnis gebracht. Dort haben sie behauptet, ich hätte geklaut. Solche Geschichten gibt es in Afghanistan viele. In Deutschland gibt es andere. Hier sind die Polizisten immer nett gewesen.