Kunst kommt nach Deutschland – Nichts ist unmöglich

Es ist bald neun Jahre her, dass ich in München bin. Für mich, in Shanghai geboren und aufgewachsen, ist München nach und nach meine zweite Heimat geworden.

Im Jahr 2008, gleich nach meiner Abschlussprüfung an der Tongji Universität in Shanghai, bin ich nach München gekommen, um Medienkunst an der Kunstakademie zu studieren. In China sagt man: Aller Anfang ist schwer. In einem fremden Land ein neues Leben zu beginnen, war ein Wagnis und trotz meiner Weltneugier manchmal recht anstrengend. Mir fehlte die Unterstützung meiner Familie, die es mir in China ermöglichte, mich ganz auf meine Studien und Hobbies zu konzentrieren. Bereits am Anfang meines Studiums musste ich feststellen, dass es nicht leicht ist, von der Kunst zu leben. Aushilfsarbeiten in Restaurants, Cafés, Hotels und schließlich am Fließband, mussten fürs Erste genügen.

Ende 2009 habe ich dann erstmals ein Gemälde in die Auktion der Kunstakademie eingeliefert. Dass mein erstes Gemälde, das ich bereits in Deutschland gemalt hatte, einen so hohen Preis erzielen konnte, hat mich freudig überrascht. In den darauffolgenden Jahren habe ich an insgesamt drei Versteigerungen teilgenommen und immer sehr gute Resultate erzielt — einmal sogar das höchste Ergebnis der gesamten Auktion. Der Motivationsschub, den diese Erfolge in mir auslösten, war enorm. Anfangs konnte ich nur in meinem 18 Quadratmeter großen Studentenzimmer malen. Seit 2014 arbeite ich in einem städtischen Atelierhaus am Domagk Park. Neben mir haben dort über 100 ausgewählte Künstler ihr Atelier. Jedes Jahr im Sommer haben wir offene Ateliertage; bei dieser Gelegenheit können die Künstler ihre Werke selbst präsentieren und verkaufen. Es ergeben sich auch oft interessante Gespräche und neue Ausstellungsmöglichkeiten. Die Netzwerke zwischen den Künstlern sind sehr wichtig, manchmal werden auch einige Ausstellungen unter den Künstlern selbst organisiert. Ich bin der Stadt München darum sehr dankbar, dass sie so viele Künstler fördert, ihren künstlerischen Weg ermöglicht.

2016 habe ich an der Ausstellung I ART MY OFFICE im Rahmen des Projekts „Kunst und Inklusion — Ausstellung und Kunstverleih“ der Landeshauptstadt München teilgenommen. Mit erstem Blick sieht man in meinem Entwurf eine Balletttänzerin und ihre elegante Körperhaltung. Wenn man es näher betrachtet, sieht man ihre Prothesen. Oft werde ich gefragt, ob das überhaupt möglich sei. Mir ist wichtig, dass man trotz vieler Schwierigkeiten die Hoffnungen und die Kraft nicht verliert.

Nichts ist unmöglich.

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Raphael Müller-Hotop

Ich heiße Raphael Müller-Hotop, bin Psychologe und war von Oktober 2014 bis August 2019 stellvertretender Vorstandsvorsitzender des NeuLand e.V.. Es begeistert mich jedes Mal aufs Neue das Engagement der AutorInnen und Ehrenamtlichen mitzuerleben und gemeinsam mit so vielen Menschen aus verschiedenen Kulturen dieses verbindende Projekt mitzugestalten. Was mir an NeuLand außerdem besonders gefällt ist der Austausch mit den AutorInnen und unser Ziel, durch die Vermittlung eines breiten Spektrums an Perspektiven Verstehen, Kennenlernen und Dialog zu fördern.