Ich bin in São Paulo geboren und sehe als Architektin, wie sich die brasilianische Metropole laufend verändert. Heute bestimmt die Pandemie das traurige Stadtbild: Menschenschlangen stehen vor Suppenküchen an. Wer es sich leisten kann, bleibt in Isolation. Die arme Bevölkerung muss sich in volle Busse und Bahnen zwängen, unter ständiger Angst vor einer Ansteckung. Ein Gesundheitssystem vor dem Kollaps.

Abbildung: Azulejos I
Die lusophone Tradition des Kachelwerks, die Zerstörung unserer Kultur und die Hoffnung auf bessere Zeiten.
Technik: Pigment auf Leinwand, 170 x 160 cm, 2020
Seitdem ich in Deutschland bin, werden mir die Unterschiede zwischen einer südamerikanischen und einer europäischen Stadt bewusst: Hier zeigt sich München von seiner grünen, leisen Seite, ausgestattet mit Fahrradwegen, Straßenbahnen und Kinderspielplätzen. Die Menschen schwimmen im kristallklaren Wasser der Isar. Dort eine laute Stadt, mit verschmutzten Flüssen und wenigen grünen Flächen. Eine gewalttätige Stadt im Dauerstau. Freilich hat sich auch München mit dem Lockdown verändert: Der öffentliche Raum wirkt leer, das soziale Leben ist in ihm weggebrochen.

Abbildung: Manaus 2021
Indianische Schamanin versucht die Völker vor der Pandemie zu retten.
Technik: Pigment auf Leinwand, 130 x 140 cm, 2021
1985 kam ich mit einem einjährigen Stipendium der Humboldt-Stiftung für ein Praktikum am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege nach Deutschland. Hier in Europa konnte ich all jene Orte besuchen, mit denen ich mich im Laufe meines Architekturstudiums an der Universität São Paulo und am Denkmalamt der Stadt auseinandergesetzt hatte.
Die Zeichnung stand im Mittelpunkt meiner Ausbildung als Architektin und bildet den Ausgang meiner Kunst: Ich beginne mit dem Entwurf auf Papier und gelange im Prozess zur Farbigkeit auf Leinwand. Heute habe ich einen Weg zur Installation in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Rosina Zimmermann gefunden und experimentiere mit verschiedenen Materialien in meinem Atelier im Moosacher Botanikum.
Meine Motive beschäftigen sich von Anfang an mit dem Menschen als soziales und symbolisches Wesen, mit seinem Platz in einer komplexen Welt. Kunst ist für mich eine Form der Reflexion und des Ausdrucks von Träumen und Wünschen, gegen die Indifferenz gerichtet.

Abbildung: ohne Titel
Indianerinnen aus Amazonien mit Masken aus Bananenblättern im Protest gegen die Verbreitung von Covid-19 in den Reservaten.
Technik: Pigment auf Leinwand, 130 x 140 cm, 2020
1987 habe ich meinen Mann aus Deutschland geheiratet und eine Familie gegründet. Damit begann ein neuer Abschnitt in meinem Leben: Ich schlug neue Wurzeln und ließ alte zurück. Ich lernte neue Lebensweisen, ein ungewohntes raues Klima kennen. Familie und alte Freunde blieben in Brasilien. Die Sehnsucht nach dem, was war, bewegt mich ständig. Ich fühle mich in einer transit area zwischen zwei Welten. Dieser Zwischenort fordert auch einen kritischen Blick auf die brasilianische Gesellschaft heraus. Ein gespaltenes, stagnierendes Land unter der skrupellosen Regierung Bolsonaro. Ein Land, das seine Ökologie zerstört und Menschenleben durch den Virus verliert.

Abbildung: Amazonas
Bildunterschrift: Die Brandrodung
Technik: Pigment auf Leinwand, 160 x 170 cm, 2017