Inobhutnahme minderjähriger Ausländer

Als Asylbewerber werden Personen bezeichnet, die in einem anderen Staat als dem ihrer Herkunft Asyl suchen und beantragen, also Aufnahme und Schutz vor politischer, religiöser oder sonstiger Verfolgung.

Der Ausdruck Asylant ist mit abwertenden Konnotationen behaftet. Sprachwissenschaftler sehen darin einen Ausdruck von Fremdenfeindlichkeit. Denn ein Ausländer bewirbt sich um einen Asyl (Asylbewerber) oder sucht ein Schutz in einem Fremden Land, (Schutzsuchender). Das Völkerrecht unterscheidet Asylbewerber von Flüchtlingen (Menschen, die zur Flucht gezwungen sind) und von Migranten (Menschen, die ihr Land aus eigenem Antrieb verlassen). Sobald eine Person in einem anderen Staat einen Asylantrag gestellt hat, über den noch nicht entschieden wurde, gilt sie rechtlich als Asylbewerber.

Unbegleitete minderjährige Ausländer (kurz: umA) sind Kinder und Jugendliche, die aus verschiedenen Krisenregionen dieser Welt kommen. Diese haben lange Wege auf sich genommen, um ein einfaches und doch menschenwürdiges Leben in einem für sie auch fremden Land führen zu können. Diese Kinder werden von ihren Eltern auf eine unbekannte Reise geschickt, um ein besseres Leben als sie selbst zu haben und sie nehmen damit schreckliche und gefährliche Wege auf sich.

Diese Kinder werden von organisierten Schlepperbanden nach Europa geschleppt. Die Schlepperbanden verkau- fen sich vor Ort als rettende Menschen. Die Eltern zahlen ein Vermögen dafür und das Leiden, das diese Kinder auf der Flucht erfahren, wird in Kauf genommen.

Die Unterbringung der umA im Alter ab 16 Jahren war bis 2014 Aufgabe der Regierung von Oberbayern (kurz: ROB). Im Freistaat galt damals für Jugendliche Asylbewerber ab 16 Jahren das Asylrecht und nicht wie in den meisten anderen Bundesländern das Jugendschutzgesetz. Deshalb wurden die Jugendlichen hier schon ab 16 Jahren wie Erwachsene behandelt.

Sie wurden in einer Gemeinschaftsunterkunft mit erwachsenen Flüchtlingen aber in getrennten Räumen untergebracht. Die Gemeinschaftsunterkünfte wurden damals in einem 3-Stufenmodel aufgeteilt.
Stufe Eins für erwachsene Flüchtlinge, die Stufe Zwei für Familien und die Stufe Drei für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ab 16 Jahren. Die umA wurden von dem Sozialdiensten der Inneren Mission betreut. Das Jugendamt wurde von der ROB über die Aufnahme der umA informiert. Die Regierung von Oberbayern war damals auch für die Alterseinschätzung zuständig.

Durch die Übernahme der Unterbringung der umA durch das Jugendamt 2014 hat sich die Unterbringung der unbegleiteten Minderjährigen deutlich verbessert. Das 3-Stufen Modell der ROB wurde abgeschafft. Die Kosten für die Jugendhilfe werden auf alle Bundesländer verteilt.

Im September 2015 kam der Flüchtlingsansturm. Und mit dem berühmten Satz von der Bundeskanzlerin „Wir schaffen das“ wurden in der Bayern Kaserne zusätzliche Container für 500 umA aufgestellt, da das Haus 19, das zu diesem Zeitpunkt als Erstaufnahme diente, bereits überbelegt war. Die Entscheidung, neue Container aufzustellen, wurde nicht in Absprache mit dem Oberbürgermeister getroffen. Wir wurden entsprechend gerügt, durften aber weiter belegen. Innerhalb von einer Woche wurden die neuen 500 Plätze voll belegt und das Jugendamt musste nach einer weiteren alternativen Unterbringung suchen.

Die Unterbringung in der seit Jahren ausgedienten Bayern Kaserne war jedoch nicht entsprechend dem Kindeswohl geeignet. Der Geruch im Flur und in den Zimmern werde ich nie mehr vergessen. Es roch sehr unangenehm, schimmlig und es war einfach eine unmenschliche Unterbringung. 

Bis zu 20 unbegleitete minderjährige Ausländer wohnten in einem 6-Bett-Zimmer und manche schliefen in die Gängen, weil die Zimmer überfüllt waren. Und nur eine Sanitäranlage für 100 umA war einfach zu wenig.

Der Aufenthalt eines umAs in der Bayern Kaserne war eigentlich auf maximal drei Monate festgelegt. Die meisten blieben jedoch viel länger in der Bayern Kaserne, da es keine Plätze in den Clearingstellen in München gab. Die Clearingstellen sind die Inobhutnahme Schutzstellen für minderjährige Ausländer. In diesen Einrichtungen werden die Clearingsberichte geschrieben. Z.B. was für einen Bedarf an Hilfe der Jugendliche hat.

Bis zu 1500 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge lebten dort von 2015 bis 2016, dazu rund 10000 weitere Asylbewerber. Das Gelände war umzäunt. Rein kam nur, wer eine Erlaubnis von der Regierung von Oberbayern vorweisen konnte.

Die Betreuer der Inneren Mission München kümmerten sich um die pubertären Jungen tagsüber. Nachts waren sie sich selbst überlassen. Nur die Angestellten einer Sicherheitsfirma patrouillierten. Es handelte sich somit um Personal, das nicht pädagogisch ausgebildet und deshalb auch nicht für die Betreuung der Jugendlichen geeignet war.

Am Hauptbahnhof wurden Flüchtlinge von Bürgern empfangen. Darunter waren auch unbegleitete minderjährige Ausländer. Das Team Jugendamt stand auch am Hauptbahnhof, nahm sie in Empfang und fuhr sie mit Taxis in die Bayern-Kaserne. Es kamen bis zu 100 Minderjährige pro Tag. Sowohl die Versorgung mit Verpflegung als auch die Zusammenarbeit mit Behörden, Polizei und

Ausländerbehörde hat sehr gut funktioniert und diese Kooperation ist bis heute bestehen geblieben.

Etwa 11000 von Ihnen waren Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren und ohne familiäre Begleitung.
Das hat verschiedene Gründe:
Entweder, weil sie auf der Flucht von ihren Eltern, Geschwistern oder anderen Verwandten getrennt wurden, zum anderen machten sie sich alleine auf die Flucht um zum Beispiel einer Einberufung zum Militär im Kriegsgebiet zu entgehen. Dies ist u.a. in Eritrea der Fall. Dort werden Schüler nach dem Schulabschluss eingezogen. Die Flucht ermöglicht wenigstens einem in der Familie die Chance auf ein besseres Leben. Mehr als die Hälfte der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge stammt aus Afghanistan, die meist aus dem Iran kommen, wo sie vor Jahren schon vor Krieg und Taliban Zuflucht gesucht hatten.

Die zweitgrößte Gruppe stammt demnach aus Eritrea. Dazu kommen die Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien und dem Irak sowie Menschen aus Ländern wie Ghana, Guinea, Senegal, Mali, Marokko.

Das größte Problem dabei ist die genaue Feststellung von Identitäten, da die meisten Kinder und Jugendlichen nicht über Ausweispapiere verfügen. Wenn ein unbegleiteter minderjähriger Ausländer einen Pass oder eine Geburtsurkunde bei sich trägt, der das Gegenteil beweist als seine Angabe, minderjährig zu sein, dann nutzen ihm seine Dokumente nicht. Und deswegen werden die Ausweisdokumente nicht mitgebracht sondern im Nachhinein nachgereicht. Minderjährige Ausländer sind nicht asylmündig und das schützt sie vor Abschiebung.

In diesem Zusammenhang ist die Feststellung des Alters besonders schwierig. Viele Flüchtlinge sind schon lange unterwegs. Es bedarf also einer genauen Inaugenscheinnahme und intensiver Befragung.

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Raphael Müller-Hotop

Ich heiße Raphael Müller-Hotop, bin Psychologe und war von Oktober 2014 bis August 2019 stellvertretender Vorstandsvorsitzender des NeuLand e.V.. Es begeistert mich jedes Mal aufs Neue das Engagement der AutorInnen und Ehrenamtlichen mitzuerleben und gemeinsam mit so vielen Menschen aus verschiedenen Kulturen dieses verbindende Projekt mitzugestalten. Was mir an NeuLand außerdem besonders gefällt ist der Austausch mit den AutorInnen und unser Ziel, durch die Vermittlung eines breiten Spektrums an Perspektiven Verstehen, Kennenlernen und Dialog zu fördern.