In meiner Heimat wohnt jetzt Zerstörung

In meiner Heimat lebten einst Liebe und Poesie,

unsere Ideen von Zivilisation erschufen sie,

da, wo jeder Regen der Natur Wachstum verlieh.

Unser Weizen war für uns bestimmt,

Keine Regierung, die uns alles nimmt.

Wo immer Wolken regnen, Gutes rinnt.

Ibn Al Nafis war einer in unserem Haus,

Wissenschaft ging von uns in die Welt hinaus,

in sonnigem Wohlstand ragte das Land heraus.

Warum haben wir die Geschichte verändert?

Verloren den Ruhm, der uns einst bebändert,

leben von fremden Beschlüssen umrändert.

Unsere große Geschichte ist an uns vorbeigezogen,

wir selbst sind uns Feinde, keiner ist keinem gewogen,

der Mörder im Amt hat uns das letzte Hemd ausgezogen. 

Wir sind Flüchtlinge daheim und ohne jede Empörung,

Würde hat uns längst verlassen in uns’rer Verstörung,

In der Heimat nur noch flächendeckend Zerstörung.

Hass macht uns zu Siegern gegen unsere Eintracht,

Ungerechtigkeit begräbt das Recht mit Vorbedacht.

Land im Abstieg, den Titel hat man uns zugedacht.

Mit Händen töten wir unsere eigenen Kinder,

zerstören Städte und Straßen nicht minder.

Als gute Menschen, nein, wir sind Chaoserfinder.

Wir folgen gläubig unseren religiösen Führern,

nennen leichthin Verräter anders denkende Syrer,

doch behaupten wir frei zu sein, jetzt und früher.

Von uns sind viele Millionen auf der Flucht,

Leben in Zelten, wo sie keiner mehr sucht:

Souveränität, haben wir das stolz ausgesucht?

Sind wir nicht eher eine Herde von verlorenen Schafen,

vergleichbar erbarmungswürdigen, schwachen Sklaven,

sind wir noch Enkel dieser Erde, auf der wir schlafen?

Unsere Moral haben wir hinter uns gelassen, seit

wir Gnade den Herzen entrissen und ausspien weit.

Solches feiern wir nun als Siege auf unbestimmte Zeit.

Unser Ruhm kann uns so nicht wiederfinden,

Wir werden nicht frei sein, ihn zu verkünden,

Bis wir endlich unterwegs sind ohne Sünden. 

Mit unserem Recht und mit der Wissenschaft,

und der gegenseitigen Liebe als treibender Kraft:

Nur damit wird Neubeginn und Aufbau geschafft.

Illustration: Antje Krüger

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Raphael Müller-Hotop

Ich heiße Raphael Müller-Hotop, bin Psychologe und war von Oktober 2014 bis August 2019 stellvertretender Vorstandsvorsitzender des NeuLand e.V.. Es begeistert mich jedes Mal aufs Neue das Engagement der AutorInnen und Ehrenamtlichen mitzuerleben und gemeinsam mit so vielen Menschen aus verschiedenen Kulturen dieses verbindende Projekt mitzugestalten. Was mir an NeuLand außerdem besonders gefällt ist der Austausch mit den AutorInnen und unser Ziel, durch die Vermittlung eines breiten Spektrums an Perspektiven Verstehen, Kennenlernen und Dialog zu fördern.