Anmerkung der Redaktion: Eine Hauptmotivation, NeuLand ins Leben zu rufen, war die reine Neugier. Wir wollten unter anderem wissen, was Geflüchtete und Migranten über Deutschland, die Menschen hier und ihr neues Leben denken. Und das findet man am besten im Gespräch heraus. In jeder neuen Edition sprechen wir mit einem Autor der mindestens schon einmal über NeuLand geschrieben hat. Mohamad Alkhalaf schreibt regelmäßig für NeuLand und ist Kolumnist bei der Süddeutschen Zeitung. Aus dem Interview, das wir mit ihm geführt haben, ist dieses Mal ein Selbstporträt geworden.
Ich bin Journalist. Ich will mit meinen Geschichten etwas erreichen. Das ist in Syrien kein leichter Job, schon unter Bashar al-Assad nicht. Ich und meine Kollegen wollten Pressefreiheit.
Wir haben in unseren Texten die Regierung wegen mangelnder Pressefreiheit kritisiert. Wegen der Texte sind wir bedroht worden. Mit politischen Einordnungen sollte ich mich auch beim Nachrichtenportal eSyria, für das ich gearbeitet habe, zurückhalten. Weil ich, entgegen der Vorgaben, einen Assadnahen Stadtpolitiker der Korruption bezichtigte, landete ich für einen Monat im Gefängnis.

Sport – für Mohamad anfangs ein Kommunikationsmittel, ein Weg zur Teilhabe. Und mit einigem Erfolg gekrönt. Foto: Privat
Dann brach der Krieg aus und alles wurde noch schwieriger. Ich geriet schließlich auch mit der zweiten syrischen Front aneinander. Wie viele andere syrische Journalisten, musste ich vor der Terrormiliz Islamischer Staat vor vier Jahren aus meiner Heimatstadt Raqqa flüchten.
Die Deutschen haben mir Hoffnung gegeben, dass ich mir hier mit viel harter Arbeit ein Leben aufbauen kann. Ein Leben, dass ich in Syrien verloren habe. Dafür musste ich eine gefährliche Reise machen, aber ich habe überlebt. Nach einigen Zwischenstopps bin ich schließlich in der Turnhalle des Kirchseeoner Gymnasiums gelandet. Dort habe ich schnell viele nette Leute kennengelernt. Schüler des Gymnasiums und Leute vom Helferkreis. Ich habe Ihnen meine Geschichte von der Flucht erzählt und Fotos vom Krieg gezeigt. Die Fotos habe ich selber gemacht. Einen Großteil der Fotos musste ich zurücklassen, damit sie der IS nicht bei mir findet.
Ich konnte kein Wort Deutsch, also habe ich mich mit Händen und Füßen ausgedrückt und mit dem Sport. Mit der Sprache des Sports machte ich meine ersten Schritte zur Integration. Ich habe mit den Einheimischen Tischtennis gespielt und Fußball. Mit Marcel bin ich gejoggt. Ich habe mit ihm am Schweiger Forstlauf teilgenommen und ich habe den ersten Platz unter den Ebersberger Teilnehmern erreicht. Das war im Oktober 2015.
„Einen Großteil der Fotos musste ich zurücklassen, damit sie der IS nicht bei mir findet.“
In Syrien habe ich einige Jahre kein Sport gemacht. Meine Gedanken drehten sich nur darum, genug zu essen zu bekommen und meine gefährliche Arbeit als Journalist zu erledigen. Hier bin ich in Sicherheit und habe genug zu essen. Sabine vom Helferkreis ist Opernsängerin im Orchester des Bayerischen Rundfunks. Sie hat mich oft zu Konzerten und Proben mitgenommen. In verschiedene Konzertsäle, in Kirchen und auf den Odeonsplatz. Ich hatte sogar die Gelegenheit, den Pianisten Lang – Lang zu treffen und ihm Fragen zu stellen. Ich interessiere mich für das deutsche Recht und die Demokratie.
Im Mai habe ich bei dem Seminar “Demokratische Bildung“ auf Arabisch teilgenommen. Ein Seminar der Friedrich-Ebert-Stiftung. Schon mehrmals wurde ich zum Thema “Flüchtlinge” interviewt. Diese Interviews hat Beate vom Helferkreis organisiert. Es ging auch um die Vorfälle in der Kölner Silvesternacht.
Jetzt wohne ich in einer kleinen Einliegerwohnung bei einem älteren Ehepaar in Kirchseeon. Wir helfen uns gegenseitig und ich lerne viel über die deutschen Gewohnheiten. Rasenmähen, Mülltrennung und den Umgang mit Haustieren. Meine Vermieter haben einen Hund, der mich inzwischen lieb gewonnen hat. Ich möchte die deutsche beziehungsweise bayrische Kultur gut kennenlernen. Oft lade ich Leute zum Essen ein oder wir kochen zusammen. Bei mir wird Arabisch gekocht. Bei den Einheimischen esse ich bayrisch. Auch die bayrische Tracht fasziniert mich.

Mohamad mit seinem Freund Michael Obersteiner, der ihm beim Ankommen sehr unterstützt hat.
Foto: Privat
Hier in Bayern hat mein Leben nun eine gewisse Regelmäßigkeit. Von Montag bis Freitag gehe ich in die Schule um Deutsch zu lernen. Am Wochenende treibe ich Sport und treffe mich mit Freunden. Ich möchte als Journalist hier arbeiten und eine Familie haben. Nun lebe ich schon in Deutschland. Meine Kollegen sind teilweise noch in Syrien und leben dort sehr gefährlich.