Hat dich Gott geschickt?

Anmerkung der Redaktion: Mohammad Ali Mosavi zog im Alter von drei Jahren mit seiner Familie von seinem Geburtsland Afghanistan in den Iran. Von dort muss er als 12-Jähriger fliehen. Zu Beginn seiner Flucht fährt er 18 Stunden lang mit dem Bus in die iranische Stadt Bandar Abass. Davon handelt seine Geschichte. 

Es war nur eine Woche bis zum Winter. Ich hatte Angst, weil ich keine warme Kleidung und keine Schuhe hatte. Es war schon ein bisschen kalt. Ich wusste nicht was ich machen sollte, keine Arbeit, kein Geld. Mein Stolz war sehr groß, deshalb konnte ich nicht auf die Straße und betteln. Ich war einfach ein 12-jähriger Junge, der von zu Hause weglaufen musste, weil es dort zu große Probleme gab und ich war verzweifelt. Jeden Tag wurde meine Angst größer. Ich habe alle Wege probiert. Es gab keine Lösung mehr. Ich hatte Angst, dass ich in der Kälte starb. Ich hörte vom Radio eines Autos, dass morgen Schnee kommen würde. Mir war sehr kalt. Ich konnte nicht mehr. Ich sammelte Kartons, um ein kleines Feuer zu machen. Ich hatte genug Kartons, aber kein Feuerzeug. In meiner Tasche waren nur 200 Toman (iranische Währung). Es war Donnerstag und am nächsten Tag konnte ich nicht arbeiten, weil es ein freier Tag war. Wenn ich mit dem Geld ein Feuerzeug gekauft hätte, hätte ich am nächsten Tag kein Geld für Essen gehabt. Ich war einfach komplett verzweifelt. Ich schaute den Himmel an und schrie ganz laut: „Hallo Allah, siehst du mich nicht? Schau, ich gebe auf. Ich bin am Boden. Wo ist deine Hilfe? Ich kann nicht mehr. Entweder du nimmst mich von dieser Welt, oder hilf mir. Es ist ungerecht. Ich bin noch ein Kind. Mir ist kalt und ich habe Hunger. Hörst du mich überhaupt?“ ​

Mit nassen Augen habe ich mich auf den Bürgersteig gesetzt. Vor mir war eine blaue, schöne Haustür. Sie ging auf einmal auf und ein Mann kam raus. Er sagte zu mir: „Ich habe alles gehört. Wer bist du Junge? Warum bist du so sauer auf Allah und schreist?“ Ich rief wieder zu Allah: „Anstatt Hilfe schickst du mir eine Nervensäge!“ Der Mann schaute mich an und sagte: „Ich bin keine Nervensäge. Ich will dir helfen. Komm rein hier ist es kalt.“ Ich durfte bei ihm essen und schlafen. Er war sehr nett.

Am nächsten Tag hat er mich zum Einkaufen mitgenommen und kaufte mir genug warme Kleidung. Er hat für mich mit einem Freund in einem Supermarkt gesprochen, dass ich dort am Tag arbeiten kann und in der Nacht dort schlafen kann. Ich habe ihn angeschaut und mir kamen Tränen in meine Augen. Ich fragte ihn: „Bist du ein Engel, oder hat Allah dich geschickt? Auf jeden Fall danke ich dir für alles, und ich werde immer dankbar sein.“ Er sagte: „Brauchst du nicht. Ich bin nur ein Mensch, der gerne hilft.“ Und er ging von mir weg. Ich habe ihn nie wieder gesehen, aber ich wünsche ihm alles Gute. Diese Geschichte ist wirklich wahr. 

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Raphael Müller-Hotop

Ich heiße Raphael Müller-Hotop, bin Psychologe und war von Oktober 2014 bis August 2019 stellvertretender Vorstandsvorsitzender des NeuLand e.V.. Es begeistert mich jedes Mal aufs Neue das Engagement der AutorInnen und Ehrenamtlichen mitzuerleben und gemeinsam mit so vielen Menschen aus verschiedenen Kulturen dieses verbindende Projekt mitzugestalten. Was mir an NeuLand außerdem besonders gefällt ist der Austausch mit den AutorInnen und unser Ziel, durch die Vermittlung eines breiten Spektrums an Perspektiven Verstehen, Kennenlernen und Dialog zu fördern.