Die Stadt München ist die günstigste Stadt der Welt. Man darf den ganzen Tag mit allen öffentlichen Verkehrsmitteln für nur einen Euro und 50 Cent fahren. Das habe ich mir gedacht, als ich nach Deutschland kam. Da sprach ich überhaupt kein einziges Wort Deutsch, außer „Hallo“, „Guten Morgen“ und „Servus“. Außerdem wusste ich natürlich nicht, dass es Zonen und Ringe gibt. Glücklicherweise wurde ich von keinem Schaffner erwischt. Ich machte das monatelang so und es war so angenehm, weil ich mit gutem Gewissen fuhr. Aber es war nicht alles angenehm, trotz der billigen Fahrkarte, da ich alles mit meinem Heimatland verglich.
Wie ein guter Kaffee am Morgen
In Syrien musste ich jeden Tag entweder mit dem Bus oder mit einem kleinen Bus zur Universität fahren und dort hörte ich unterwegs jeden Tag die Musik von Fajroz. Diese Sängerin ist für uns wie der morgens getrunkener Kaffee, den man vor der Arbeit zum Aufwachen trinkt. Manchmal wollte ich den Bus nicht verlassen, nur um ein Lied zu Ende zu hören. Es war oft kalt und regnerisch und währenddessen warf ich meinen Blick durch das Fenster auf die Straßen und betrachtete immer dieselben Sachen, die mir so vertraut waren.
Die Fahrt nach Hause war wie in einer Stierkampfarena. Es gab wenige Busse und ich musste hin und her laufen, weil der Bus einmal von einem Ort abfuhr und ein anderes Mal von woanders. Pünktlichkeit kann man vergessen, Fahrräder werden ganz selten bei uns gefahren. Entweder kämpfst du um den Einstieg oder du bleibst auf der Straße. Naiv darfst du nicht sein. Wenn man einen Platz im Bus abbekommen hatte, begann das Geschichtenerzählen und das Kennenlernen. Außerdem wurde das Geld von ganz hinten nach vorne zum Fahrer durchgereicht, der Bus war massiv überfüllt, selbst der Platz neben dem Fahrer war besetzt.

Samh freute sich anfangs über die vermeintlich günstigen Preise im Münchner ÖPNV. Foto: Caro Zwinz
In Deutschland ist das ganz anders, es ist alles irgendwie geregelt, der Bus kommt pünktlich, die Menschen laufen nicht hinter dem Bus her, um noch einzusteigen. Doch ich vermisste immer die Musik, die ich stets im Bus in Syrien gehört habe und auch die Unterhaltung mit Mitfahrenden.
Was mich in München außerdem stört und nervt ist, dass der Busfahrer die Menschen in der Kälte warten lässt, wenn er erst in 20 Minuten losfährt. Ich habe mich ständig gefragt, wie- so er sie nicht reinlässt und die 20 Minuten drinnen warten lässt. Mir ist aufgefallen, dass manche Herzen hier noch kälter sind als das Wetter. Es kann sein, dass jemand im Zug weint und niemand fragt, was denn los sei oder ob er helfen könne. Es kann auch sein, dass jemand im Zug bzw. im Bus nach Hilfe ruft. Viele tun dann so, als ob sie nichts gehört hätten. Diese Situation habe ich selbst erlebt, ich war sehr müde und spürte, dass etwas nicht stimmte und mir wurde schwarz vor Augen.
Niemand ergriff die Initiative
Ich habe gerufen: „Hallo, kann mir irgendjemand helfen, ich sehe nichts mehr, ich brauche Wasser und frische Luft.“ Ob- wohl viele Leute da waren, er- griff niemand die Initiative. Gott sei Dank waren die Sicherheitsleute da und halfen mir.
Alles in allen möchte ich noch sagen, dass wir uns in den öffentlichen Verkehrsmitteln gegenseitig ein Lächeln schenken sollten. Denn es ist der Schlüssel zum Herzen.