Projekte der Menschlichkeit können diese Macht transformieren.
Wenn wir Flüchtlinge in Deutschland ankommen, ist das erste worüber wir nachdenken, wie wir in diesem neuen Land mit der neuen Sprache und der neuen Kultur leben können. Das zweite ist, wie die Deutschen uns sehen und wie wir mit ihnen in Kontakt kommen können. Und viele andere Fragen. Das alles macht uns Flüchtlingen Angst vor dem neuen Leben.

Gleichzeitig gibt es ein paar Deutsche, die nicht viel über Fremde wissen und Angst vor ihnen haben, weil sie ihr Benehmen nicht verstehen oder was sie hier wollen.
Da stehen sie sich gegenüber, diese zwei Gruppen, voller Angst. Und hier kommt eine dritte Gruppe: Die Gruppe der Deutschen, die sowohl den Flüchtlingen hilft, als auch den Deutschen, indem sie Kontakte zwischen den Gruppen herstellt, dass sie sich die Hände reichen können.
Einige Deutsche kommen zwei oder drei Mal in der Woche in die Flüchtlingslager, unterrichten Deutsch oder machen Ausflüge mit uns und informieren uns über ihre Traditionen.
Andere Deutsche organisieren ein Koch-Projekt mit (Anmerkung der Redaktion: „Ein Teller Heimat“ im Westend), in dem alle Nationalitäten und Deutsche alle 2 bis 3 Wochen eingeladen werden, zusammen zu kochen und zu essen. Dabei kommen sie ins Gespräch, lernen übereinander und über ihre Heimatländer. Sie hören Fluchtgründe und -geschichten und viele Probleme. Manche Deutsche, die zum ersten Mal zu dem Essen kommen, hatten vorher nie Kontakt zu Flüchtlingen. Und beim Essen ist viel Zeit, sich näher kennenzulernen.
Illustration: Antje Krüger
Beim Essen kann man Angst verlieren
Einmal kam ein Mann als Gast, der am Anfang sehr ernst und reserviert war uns gegenüber. Er hatte natürlich schon mal Flüchtlinge gesehen, aber nie mit einem gesprochen. Die erste halbe Stunde sprach er nur mit Deutschen. An diesem Tag war ich in der Küche eingeteilt. Eine Mitarbeiterin des Projektes brachte ihn dann zu uns vor die Küche, wo wir erst mal nur die Namen austauschten, wer wo herkommt und wer was studiert oder gearbeitet hat in seinem Heimatland. Dann, nach etwa einer Stunde begannen wir zu essen. Der Mann saß mit mir, 3 anderen Deutschen und 3 Flüchtlingen am Tisch. Wir redeten über das Essen, erklärten die Zutaten und Zubereitung, fragten ihn, was er braucht und was wir ihm bringen dürfen. In der nächsten Stunde veränderten sich die Fragen, und sie wurden sehr persönlich und freundlich. Auch sein Gesicht veränderte sich deutlich von ernst zu lächelnd. Er fragte, wo und wie er in den Lagern helfen könnte. Er ließ sich meine Nummer geben und rief mich sogar nach 4 Tagen an. Und nach 2 Wochen lud er selber 2 syrische Familien und Deutsche in eine Kirche zum Kochen ein. Er kam mit seiner Frau und seinen Kindern. Er war so freundlich, spielte mit den Kindern und Luftballons und wirkte auf mich sehr glücklich.
Als ich ihn das erste Mal sah, hatte ich ein bisschen Angst, dass er uns Flüchtlinge vielleicht nicht mag, weil er so ernst war. Aber nach dem Essen war ich so glücklich, dass er wirklich interessiert an mir und meiner Geschichte war. Und jetzt habe ich sogar jemanden, auf dessen Schulter ich mal meinen Arm legen kann, wenn ich Hilfe brauche.
Dieses Beispiel ist für mich so schön, weil das Einzige, was zwischen uns stand, die Angst war. Mit Hilfe dieses Projekts konnten wir sie überwinden und jetzt Hand in Hand gehen.
