„Als Alleinerziehende in Uganda ist es ganz einfach“

Eine Hauptmotivation, NeuLand ins Leben zu rufen, war die reine Neugier. Wir wollten unter anderem wissen, was Geflüchtete und Migranten über Deutschland, die Menschen hier und ihr neues Leben denken. Und das findet man am besten im Gespräch heraus. In jeder neuen Edition sprechen wir mit einem Autor, der schon einmal für NeuLand geschrieben hat. Eine, die von der ersten Stunde an dabei war, ist die Journalistin Lillian Ikulumet aus Uganda. Sie lebt seit sieben Jahren in Deutschland.

Hallo Lillian, wie geht es Dir?

Es geht mir gut. Alles ist okay. Mit Taliah ist alles gut. Das Problem ist nur, dass wir nicht so viel Platz in der Wohnung haben. Seit eineinhalb Jahren suche ich schon eine Wohnung, aber ich finde keine. Ich habe kein Glück. Jeden Tag denke ich: Oh mein Gott, das Kind hat keinen Platz mehr. Aber Gott sei Dank ist das Wetter jetzt schön. Da kann man raus gehen.

Wie ist es, hier alleinerziehend zu sein?

Das ist sehr schwierig in Deutschland. Als Allein- erziehende in Uganda ist es ganz einfach, da gibt es viele Verwandte und Freunde, die einfach vorbeikommen und helfen. Sie kümmern sich um das Kind. Die meisten Leute denken dann: Ach ich besuche die Lillian, da habe ich auch was zu essen, da kann ich übernachten. Die Verwandten nutzen dann diese Chance. Das ist vor allem bei den Leuten so, die aus kleinen Dörfern kommen.

Gibt es in Uganda viele Alleinerziehende?

Ja, gibt es schon auch, aber es ist nicht so schwierig wie hier. Hier musst Du dein Kind überallhin mitschleppen, egal wo Du hingehst, Du musst mit dem Kind hingehen.

Hast Du einen Krippenplatz gefunden?

Es ist nicht einfach, aber über Vitamin B habe ich Glück gehabt. Vielleicht kriegen wir bald einen Platz ab September.

Gibt es in Uganda auch Kinderkrippen?

Ja, gibt es. Ab einem Jahr gehen die Kinder dann dahin. Das ist für die Eltern, die ihre Kinder nicht bei den Verwandten lassen wollen. Die meisten Eltern bringen die Kinder in den Kindergarten, wenn die Kinder drei oder vier Jahre alt sind.

Hast Du hier in München befreundete Mütter?

Ja, habe ich. Aber die meisten arbeiten. Da kann ich die Taliah nicht lassen.

Welche Chancen siehst Du hier für Taliah?

Ich finde es ganz gut, dass sie hier viele Chancen hat. Dass sie überhaupt in den Kindergarten und in die Schule gehen kann. Das ist sogar ein Muss hier in Deutschland. In Uganda hängt alles davon ab, ob man das Geld hat, den Kindergarten oder die Schule zu bezahlen. Wenn die Eltern kein Geld haben, dann muss das Kind zuhause bleiben. Die Taliah wird in die Schule gehen, sie wird auch ganz toll Deutsch sprechen, Englisch sprechen, sie ist in Bayern geboren – eine kleine Bayerin (lacht). Sie hat ganz viele Chancen hier. Mehr Chancen als in Uganda.

Welche Sprachen sprichst Du mit Taliah?

Englisch und Deutsch.

Lillian Ikulumet erzieht ihre Tochter Taliah allein. In Deutschland ist das um einiges schwieriger als in Uganda. Foto: Susanne Brandl

Vermisst Du hier etwas? Was würdest Du dir hier für dein Kind wünschen?

Ich vermisse, meine Oma dabei zu haben. Taliahs Uroma. Dann hätte ich jemand, der auf sie aufpassen kann. Ich bringe sie ab und zu in Kinderspielgruppen, einmal in der Woche. Wir vermissen Verwandte, Oma oder eine Tante. Aber wenn sie groß ist, dann können wir die Oma in Uganda besuchen.

Taliah ist jetzt 9 Monate alt. Wann planst Du wieder zu arbeiten?

Ab Oktober.

Wie findest Du es, dass die Jungen in Deutschland oft blau und Mädchen eher rosa angezogen sind? Ist das in Uganda auch so?

Als ich in Uganda war, war so etwas egal. Jetzt ist der Trend da auch hingekommen, über Social-Media. Aber vorher war das völlig egal.

Wie ist das bei Dir, wenn Du etwas für Taliah kaufst?

Ich finde das eigentlich egal. Als ich Taliah bekommen habe, haben alle Freunde Geschenke gebracht und alles in Rosa Rosa Rosa!! Ich kaufe kein Rosa mehr, ich versuche zu mischen.

Also Gelb, Grün oder..

Ja, oder Blau.

Was hast Du über Europa gedacht, bevor Du hierher gekommen bist?

Schwierige Frage. Bevor ich hierher gekommen bin, war ich Auslandskorrespondentin und viel unterwegs. Da kannte ich schon die europäische Kultur und die Leute. Ich war in Dänemark, in Schweden, in Norwegen, in Großbritannien. Fast jedes Jahr war ich im Ausland. Es war immer exotisch, aber es hat mir gefallen und ich hatte viel Spaß bei der Arbeit. Eigentlich wollte ich nie in Europa leben. Ich hatte alles in Uganda, ich hatte meinen Beruf, war erfolgreich. Ich dachte, das Leben in Europa könnte ich nicht schaffen. Aber dann haben sich die Sachen gedreht und ich musste Uganda verlassen.

Wie denkst Du heute darüber? Bist Du glücklich, jetzt hier zu sein?

Ich bin total froh, dass ich in Deutschland bin. Dass ich eine zweite Sprache lernen kann und es ist einfach sicher hier. Ich bin auch froh, dass Taliah hier geboren ist.

Taliah ist also Deutsche. Und Du?

Ich bin eingebürgert worden. Ich bin jetzt auch deutsch. Und ich musste meine ugandische Bürgerschaft abgeben.

Wie war das?

Das war mir eigentlich egal. Zuhause ist, wo man sich gut fühlt und dass man sicher und glücklich ist. Für mich ist Deutschland jetzt das Zuhause. Was soll ich jetzt in Uganda machen? Ich fliege nie hin.

Was würde passieren, wenn Du wieder nach Uganda fliegen würdest? Wärst Du dann wieder bedroht?

Das weiß ich nicht genau. Aber jetzt würde ich als Deutsche hinfliegen.

Wie sehen deine Zukunftspläne aus?

Wenn es eine Chance gäbe, würde ich noch etwas anderes studieren oder eine Ausbildung machen. Ich denke, IT ist die Zukunft. Ich würde gerne etwas mit IT studieren. Ich habe mich für ein duales Studium beworben, aber leider eine Absage bekommen. Ich werde versuchen, mich nochmal zu bewerben.

Möchtest Du noch etwas loswerden?

Was ich so schön finde hier, ist, dass es so viel Unterstützung und Angebote für Mütter gibt. Auch für Alleinerziehende. Und Beratung zu verschiedenen Themen. Auch für den Wiedereinstieg in den Job. So viel Information. Egal, ob man schwanger ist, oder arbeitslos. Überall gibt es Stellen, wo man Infos bekommen kann. Das ist nicht so in Uganda. Da bekommst Du alle Infos von Freunden und Verwandten.

Vielen Dank für das Gespräch, Lillian!

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Raphael Müller-Hotop

Ich heiße Raphael Müller-Hotop, bin Psychologe und war von Oktober 2014 bis August 2019 stellvertretender Vorstandsvorsitzender des NeuLand e.V.. Es begeistert mich jedes Mal aufs Neue das Engagement der AutorInnen und Ehrenamtlichen mitzuerleben und gemeinsam mit so vielen Menschen aus verschiedenen Kulturen dieses verbindende Projekt mitzugestalten. Was mir an NeuLand außerdem besonders gefällt ist der Austausch mit den AutorInnen und unser Ziel, durch die Vermittlung eines breiten Spektrums an Perspektiven Verstehen, Kennenlernen und Dialog zu fördern.